Christian Scherg
 
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November 2013

Bewerber googeln

Wenn Personaler Bewerber googeln... Mythos oder Fakt?

Bewerber googeln | Christian Scherg

Im Jahr 2010 startete die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BzGA) eine Kampagne unter dem Motto „Kenn dein Limit“. Ziel dieser Kampagne war es, Jugendliche auf die Risiken des Alkoholkonsums aufmerksam zu machen und sie dafür zu sensibilisieren, dass der menschliche Kör- per Alkohol nicht in beliebiger Menge verarbeiten kann. So wurde bundesweit ein Motiv plakatiert, das vier attraktive junge Menschen zeigte, die sich offensichtlich einen netten Abend vorgenommen hatten. Zu drei dieser Jugendlichen lieferte das Plakat – quasi vorab – eine Erklärung mit: Der Hinweis, welcher der Hauptfigur galt, lautete: „Er feiert, bis der Arzt kommt, und landet auf der Intensivstation“. Klar und eindeutig. Der jungen Frau am linken Bildrand war der folgende Kommentar gewidmet: „Sie lässt heute noch alle Hemmungen fallen ...“, der durch einen weiteren Kommentar zu einem jungen Mann, der im Hintergrund mit einer Handy-Kamera hantiert, ergänzt wurde: „... Er stellt sie später nackt ins Netz.“

Es war gerade dieser letzte Kommentar, der unabhängig vom eigentlichen Ziel der Kampagne den Nebeneffekt hatte, dass dieses Plakatmotiv die Angst vieler Mitmenschen, im Internet bloßgestellt zu werden, erfolgreich aufgriff und ganz erheblich schürte. Natürlich will niemand im Internet Bilder von sich sehen, die sie oder ihn betrunken, nackt und hemmungslos zeigen. Dennoch ist die Zahl der einer bestimmten Person zuzuordnenden Fotos auf den verschiedenen Social-Media-Plattformen vergleichsweise überschaubar. Deutlich häufiger finden sich dagegen Bilder, die bei ausgelassenen Feiern entstanden sind: Ein Schlafsack und eine Gitarre, womöglich eine Bierflasche sind zweifellos häufiger abgelichtet als Exzesse oder nackte Haut – nichts, was einem jungen Menschen weiter peinlich sein sollte.

Dennoch gab es im Umfeld der BzGA-Kampagne Gerüchte, Erzählungen und auch Presse-Artikel, die in den schrillsten Farben ausmalten, was denn wohl passieren könnte, wenn solche Bilder von der Personalabteilung des Unternehmens, bei dem man sich nach dem Studium um den ersten Job bewirbt, in Facebook gefunden würden.

Hier kann man erst einmal eine gewisse Entwarnung geben. Rückfragen bei den Personalentscheidern großer Unternehmen zeigen: Zum Ersten ist die Recherche nach einzelnen Bewerbern auf den diversen Social-Media-Plattformen derart aufwendig, dass sie sich mit den Mitteln einer normalen Personalabteilung kaum realisieren lässt. Zum Zweiten sind auch Personalentscheider nur Menschen: Menschen, die es durchaus nachvollziehen können, dass ein Schüler oder Student während seiner Ausbildung gelegentlich ausgiebig feiert – und dabei auch schon mal über die Stränge schlägt. Im Gegenteil: Die meisten Unternehmen suchen nur in Ausnahmefällen nach Mitarbeitern, die das Sozialverhalten eines Taschenrechners an den Tag legen.

Dies belegt auch eine Studie, die die Universität Erfurt im Januar 2011 veröffentlichte. Hier wurden Personalverantwortliche befragt, ob und in welchem Maße sie soziale Netzwerke im Internet nutzen, um Näheres über ihre Bewerber herauszufinden. Das Ergebnis wurde recht plakativ formuliert: „Der googlende Personaler ist ein Mythos“, hieß es. Tatsächlich sei man vom gläsernen Bewerber noch weit entfernt, denn zwischen Unternehmensrealität und medialer Präsenz des Themas klaffe eine große Lücke. Nach wie vor verlaufe das klassische Bewerbungsverfahren analog. Geeignete Kandidaten würden, wenn überhaupt, erst zum Ende einer Bewerbungsphase digital „durchleuchtet“. So sei es beispielsweise denkbar, dass es im Fall von mehreren gleich qualifizierten Bewerbern eine Recherche im Internet gebe.

Ein gewisses Restrisiko – selbst beim Berufseinstieg – ist also nicht auszuschließen. Zudem sollte man auch in Betracht ziehen, dass man im Verlauf einer Karriere durchaus in Positionen gelangen kann, die deutlich exponierter sind als der erste Job nach der Ausbildung oder dem Studium. Hier können sich achtlos ins Netz gestellte Informationen durchaus als Fußangel erweisen.

Die gute Nachricht: Am Ende ist für die Anstellung noch immer der persönliche Eindruck ausschlaggebend, so die Forscher der Universität Erfurt.